Berlin Bytch Love

Di 12.11. (18 und 20 Uhr) / Do 14.11. (17:30) / So 17.11. (13:00)

Berlin Bytch Love

Deutschland 2022; Regie: Heiko Aufdermauer, Johannes Girke; Dokumentation; FSK: ab 12; 86 Minuten

Sommer in Berlin. Sophie (15) und Dominik (17) leben seit einem halben Jahr auf den Straßen rund um den Görlitzer Park. Sie schlafen in Hauseingängen, sammeln Flaschen – und lieben sich, so bedingungslos und absolut, wie man es als Teenager tut. Sind sie auch nur für einen Moment getrennt, so geschieht ein Unglück. Sophie ist von ihrem Vater als „vermisst“ gemeldet worden – deswegen haben sie keine Chance, an staatliche Hilfe zu kommen. Sie verkaufen Postkarten, sammeln Flaschen und „schnorren“ ein paar Cent. Sie leben inmitten und doch jenseits der Gesellschaft ein unsicheres, gefährliches, aber freies Leben.

Im Sommer 2018 entschlossen sich die beiden Filmemacher Heiko Aufdermauer und Johannes Girke, ein junges Liebespaar (15 und 17 Jahre), das auf den Straßen um den Berliner Görlitzer Park herum lebt, über einen längeren Zeitraum dokumentarisch zu begleiten. Das Ziel war es, einen intimen und wertungsfreien filmischen Einblick in den Alltag von Jugendlichen zu schaffen, die fern von Sicherheit, Bildung und Geborgenheit mitten unter uns leben – und doch oft unsichtbar sind. Sie begleiteten die beiden über einen Zeitraum von zwei Jahren auf ihrem Weg von der Straße in eine eigene Wohnung in der Nähe von Eberswalde. Ein Jahr später wurde ihr Sohn Luca geboren. Insgesamt sind während rund 35 Drehtagen über 100 Stunden intensives Material entstanden – puristisch montiert wie ein Spielfilm.

Es ist schier unglaublich, wie nahe man Sophie und Dominik kommt, für die Berlin die ganze Welt ist, und die sich doch irgendwohin sehnen. Die Regisseure Heiko Aufdermauer und Johannes Girke erzählen ihre wahre Geschichte aus dem wahren Leben wie einen Spielfilm, mit flüssigem Schnitt, klar konturierter Kamera, vor allem ohne Doku-typische Elemente wie Interviews oder Erklärtext. Seine Festivalpremiere feierte der Film im Wettbewerb des DOKFest München 2022, wo er für mehrere Preise (Produzentenpreis, Preis des Goethe-Instituts, Publikumspreis) nominiert wurde. Auf dem Ghent Viewpoint Documentary Festival erhielt er 2023 die Auszeichnung als Best Social Documentary. Wir haben den ehemaligen Epfenbacher Heiko Aufdermauer eingeladen, zur Dienstags-Vorstellung um 20 Uhr ins Cinema Paradiso zu kommen, um seinen Film persönlich vorzustellen.

Alle die du bist

Di 5.11. (18 und 20 Uhr) / Do 7.11. (17:30) / So 10.11. (13:00)

Alle die Du bist

Deutschland/Spanien 2024; Regie: Michael Fetter Nathansky; Darsteller*innen: Aenne Schwarz, Carlo Ljubek, Youness Aabbaz, Sara Fazilat; FSK ab 12; 108 Minuten

Der Regisseur befasst sich in Alle die Du bist auf sehr facettenreiche Weise mit dem Sujet der Liebe, indem er uns zum einen demonstriert, wie viele unterschiedliche Seiten wir an einem Menschen lieben und erkennen können – und wie erschreckend und unerklärlich es zum anderen sein kann, wenn uns dieses extrem starke Gefühl plötzlich abhandengekommen zu sein scheint. Wenn also keine hochdramatischen Umstände wie bei Shakespeare oder in Casablanca (1942) der Grund für das Liebes-Aus sind, sondern schlichtweg die Befürchtung im Raum steht, dass die Liebe (vielleicht) nicht mehr da ist – einfach so. Durch gelegentliche Rückblenden erfahren wir, dass Nadine mit Mitte 20 als alleinerziehende Mutter einer Tochter von Brandenburg nach Köln kam, um als Fabrikarbeiterin in der Kohleindustrie tätig zu sein. Dort begegnet sie Paul; zunächst geraten die beiden heftig aneinander. In der Gegenwart haben sie eine weitere Tochter. Paul ist ein hingebungsvoller Vater, der jede Situation mit Gelassenheit und Humor zu lösen versucht. Die Szenen zwischen dem Paar sind immer wieder spannend, da sie nicht auf Eindeutigkeiten und Klischees setzen.
Der Film ist zugleich Liebesgeschichte und ein Sozialdrama. Er erzählt über das Funktionieren von Familien- und Arbeitsbeziehungen sowie über psychische Probleme und ist darin sehr aktuell. Außerdem sorgt der Regisseur dafür, dass der Film immer zart, fast zärtlich bei seinen Protagonist*innen bleibt. Und das ist die größte Stärke dieses außergewöhnlichen Kinoerlebnisses.

Morgen ist auch noch ein Tag

Di 29.10. (18 und 20 Uhr) / Do 31.10. (17:30) / So 3.11. (13:00)

Morgen ist auch noch ein Tag

Italien 2023; Regie: Paola Cortellesi; Darsteller*innen: Paola Cortellesi, Valerio Mastandrea; FSK: ab 12; 118 Minuten

Rom, 1946 nach der Befreiung vom Faschismus. Delia ist die Frau von Ivano und Mutter dreier Kinder. Zwei Rollen, in die sie sich voller Hingabe fügt. Obendrein bessert sie die Haushaltskasse mit vielen kleinen Hilfsarbeiten auf, um die Familie über Wasser zu halten. Ivano hingegen fühlt sich berechtigt, alle daran zu erinnern, wer der Ernährer ist. Nicht nur mit Worten. Körperliche und psychische Gewalt gehören für Delia zum Alltag. Bis ein mysteriöser Brief eintrifft, der ihr den Mut gibt, alles über den Haufen zu werfen und sich ein besseres Leben zu wünschen, nicht nur für sich selbst …

Autorin, Regisseurin und Hauptdarstellerin Paola Cortellesi ist eine der dynamischsten und vielseitigsten Künstlerinnen Italiens. Ihr Regiedebüt proklamiert keinen Feminismus mit erhobenem Zeigefinger, sondern erzählt von den vielen kleinen Schritten auf dem langen Weg zur Emanzipation. Im Genre wechselt sie dabei immer wieder zwischen Drama und Komödie. Es ist ein lakonischer, schulterzuckender Humor, mit dem die Frauen in dieser repressiven Zeit unter dem Radar tyrannischer Männer zusammenhalten, eine leichte, geradezu beiläufige weibliche Solidarität angesichts der Übermacht des Patriachats mit seinen überkommenen Rollenvorstellungen. Vorstellungen, die sich bis heute halten.

Paola Cortellesi gewann beim italienischen Pendant zur Oscar-Verleihung nicht nur den Preis für das Beste Regiedebüt und als Beste Hauptdarstellerin, sondern zusammen mit Furio Andreotti und Giulia Calenda ebenfalls die Auszeichnung für das Beste Originaldrehbuch.

Déserts – für eine Handvoll Dirham

Di 22.10. (18 und 20 Uhr) / Do 24.10. (17:30) / So 27.10. (13:00)

Déserts – für eine Handvoll Dirham

Frankreich/D/MA/BE/QA 2023; Regie: Faouzi Bensaïdi; Darsteller*innen: Fehd Benchemsi, Abdelhadi Taleb, Rabii Benjhaile, Hajar Graigaa, Faouzi Bensaïdi; FSK: ab 12; 125 Minuten

Mehdi und Hamid arbeiten für ein windiges Inkassobüro in Casablanca. In ihrem abgenutzten Renault reisen sie von einem gottverlassenen Dorf zum nächsten, um die säumigen Schuldner dazu zu bringen, Kredite zurückzuzahlen, die sie sich eh nie leisten konnten. Ihr Job hängt an einem seidenen Faden, denn sie erfüllen ihr Soll nicht. Kein Wunder, denn auf ihrem steinigen Weg durch marode Drittweltdörfer im Süden des Landes ist nichts zu holen. Also helfen die schlitzohrigen Geldeintreiber nach, indem sie die ärmsten der Armen obendrein noch mit gefälschten Rechtstiteln übers Ohr hauen. Als sich die beiden Männer auf dieser skurrilen Odysee im Nirgendwo verirren und der Wind ihnen dann noch die Landkarte davon weht, sind sie vollends verloren…

Der marokkanische Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler Faouzi Bensaïdi wird seit gut zwanzig Jahren mit seinen Filmen immer wieder zu den Festivals in Cannes und Venedig eingeladen. Mit seinem Roadmovie und vielen Anklängen ans Westerngenre gelingt ihm ein ausdrucksstarker Blick hinter die Kulissen einer dysfunktionalen Kultur, deren Gesellschaft mit folkloristischem Stoizismus erträgt. In jedem Detail ist zu spüren, dass Bensaïdi – der in der Nebenrolle eines geschäftsuntüchtigen Kioskbetreibers auch selbst auftritt – aus dem Vollen schöpft. Er kennt seine Landsleute. »DÉSERTS« ist eine unbequeme Bestandsaufnahme der marokkanischen Gesellschaft, in der er eher beiläufig, dafür umso wirkmächtiger die grassierende Armut und die daraus resultierende Kriminalität, die skrupellose Ausbeutung der Unterprivilegierten und die Profitgier reicher Kapitalisten aufs Korn nimmt.

Verbrannte Erde

Di 15.10. (18 und 20 Uhr) / Do 17.10. (17:30) / So 20.10. (13:00)

Verbrannte Erde

Deutschland 2024; Regie: Thomas Arslan; Darsteller*innen: Mišel Matičević, Marie Leuenberger, Alexander Fehling, Tim Seyfi, Bilge Bingül, Marie-Lou Sellem; FSK: o. A.; 101 Minuten

Zwölf Jahre, nachdem der Berufskriminelle Trojan aus Berlin flüchten musste, führt ihn die Suche nach Aufträgen erneut in die Stadt. Er hat kaum noch Geld und braucht dringend einen neuen Job. Berlin hat sich verändert, Trojans alte Kontakte geben nicht mehr viel her. Und seine Maxime, nur Bargeld-Jobs durchzuführen, lässt sich in einer immer komplexer digitalisierten Welt kaum noch durchhalten.

Es dauert einige Zeit, bis sich ihm schließlich durch die Vermittlerin Rebecca die Aussicht auf einen lukrativen Job bietet. Ein Gemälde von Caspar David Friedrich soll aus einem Museum gestohlen werden. Der Coup bringt Trojan mit der Fluchtfahrerin Diana, seinem ehemaligen Weggefährten Luca und dem jungen Chris zusammen. Das Projekt lässt sich vielversprechend an. Doch der undurchsichtige Auftraggeber Victor hat seine eigenen Pläne mit dem Gemälde. Bald geht es weniger ums Geld, sondern vor allem darum, mit dem Leben davonzukommen.

VERBRANNTE ERDE ist nach IM SCHATTEN der zweite Teil von Thomas Arslans Trojan-Trilogie.
„Action is character“, schrieb einst der große Schriftsteller und Drehbuchautor F. Scott Fitzgerald. Grob übersetzt heißt das etwa: Nicht Worte, sondern Handlungen definieren eine Figur. Ein Satz, der ziemlich gut auch als Motto für die meisten oder zumindest die besseren Filme über Einbrecher*innen, Coups und kriminelle Halbwelten passt. Also Filme, in denen wenig gesprochen und viel agiert wird, in denen ein Schweigen mehr sagen kann als ein Dialog. Ganz selten spielt auch einmal ein deutscher Filmemacher in dieser Liga mit. Ein Beispiel dafür ist sicherlich Thomas Arslan. Der drehte 2010 den knackigen Gangsterfilm „Im Schatten“, der dem ohnehin immer großartigen Mišel Matičević seine womöglich beste Rolle bescherte. Nun hat sich das Duo für die Fortsetzung „Verbrannte Erde“ wieder zusammengetan. Herausgekommen ist ein Film, der mit absoluter Präzision mit Genremotiven spielt, der mit extrem wenigen Worten, völlig befreit von Überflüssigem seine Geschichte erzählt und ganz nebenbei einen spannenden neuen Blick auf seinen zweiten Hauptdarsteller wirft: Berlin. (filmstarts-Redaktion: Michael Meyns. Vernrannte Erde ist ein deutscher Gangsterfilm, der in einer Liga mit den ganz großen Genreidolen spielt.

Golda – Israels eiserne Lady

Di 8.10. (18 und 20 Uhr) / Do 10.10. (17:30) / So 13.10. (13:00)

Golda – Israels eiserne Lady

USA/GB 2023; Regie: Guy Nattiv; Darsteller*innen: Helen Mirren, Liev Schreiber, Camille Cottin, Ellie Piercy, Rami Heuberger, Lior Ashkenazi, Rotem Keinan, Dvir Benedek; FSK: ab 12; 100 Minuten

1973 blickt die ganze Welt auf Israels Premierministerin Golda Meir. Nach dem Überraschungsangriff durch Ägypten und Syrien liegt das Schicksal der Nation in Meirs Händen. Gefangen zwischen dem Wunsch, Blutvergießen zu verhindern, und der politischen Verantwortung gegenüber Israel muss Golda Meir Entscheidungen treffen, von denen unzählige Menschenleben auf beiden Seiten abhängen.

In seinem nervenaufreibenden Politthriller beleuchtet der Oscar-prämierte Regisseur Guy Nattiv ein zutiefst schockierendes Kapitel des bis heute andauernden Nahost-Konflikts. Oscar-Gewinnerin Helen Mirren brilliert mit einer überragenden Darstellung als Israels Eiserne Lady. Durch Maskenbildner fast unkenntlich gemacht, spielt sie die Premierministerin als eine erschöpfte, kettenrauchende alte Dame, der das Gehen schwerfällt, nach außen hin aber als unbeugsame Staatschefin in einer von Männern dominierten Welt auftritt.

Fast auf den Tag genau 50 Jahre nach dem Jom-Kippur-Krieg wurden 1400 Israelis durch eindringende Terroristen bestialisch getötet. Die Antwort ist ein nicht minder bestialischer Feldzug gegen Zivilisten in Gaza, die hier wie dort den Machtinteressen von Militärs, Politikern und religiösen Eiferern ausgesetzt sind.

Juliette im Frühling

Di 1.10. (18 und 20 Uhr) / Do 3.10. (17:30) / So 6.10. (13:00)

Juliette im Frühling

Frankreich 2023; Regie: Blandine Lenoir; Darsteller*innen: Izia Higelin Sophie Guillemin, Jean-Pierre Darroussin, Salif Cissé, Noémie Lvovsky, Liliane Rovère; FSK: ab 12; 95 Minuten

In ihrer charmanten, warmherzigen Komödie erzählt die französische Regisseurin Blandine Lenoir auf tiefsinnige und gleichzeitig sehr unterhaltsame Weise eine Geschichte über familiäre Beziehungen, die Suche nach dem Sinn im eigenen Leben und über die kleinen Absurditäten des Alltags.

Die Kinderbuchautorin Juliette kehrt aus Paris in ihren Heimatort in der französischen Provinz zurück. Dort hofft sie auf zwei entspannte Wochen im Kreise ihrer Familie. Stattdessen trifft sie auf ihre Schwester, die mitten in einer existentiellen Krise steckt, ihren liebevollen, aber etwas launischen Vater, ihre Mutter, die gerade das Thema New Age für sich entdeckt hat – und auf ihre geliebte Großmutter, die sich mit ihrem neuen Leben in einem Pflegeheim anfreunden muss. Und dann ist da noch der freundliche, etwas einsame Pollux, der zufällig Juliettes Weg kreuzt…

Ein kleines Stück vom Kuchen (My favourite cake)

Di 24.9. (18 und 20 Uhr) / Do 26.9. (17:30) / So 29.9. (13:00)

Ein kleines Stück vom Kuchen (My favourite cake)

Iran/F/Schweden/D 2024; Regie: Maryam Moghaddam/Behtash Sanaeeha; Darsteller*innen: Lily Farhadpour, Esmail Mehrabi; FSK ab 12; 97 Minuten

Mahin lebt seit dem Tod ihres Mannes und der Ausreise ihrer Tochter nach Europa allein in Teheran. Ein geselliger Nachmittagstee mit Freundinnen gibt den Anstoß dazu, ihren einsamen und monotonen Alltag hinter sich zu lassen. In Mahin reift der Wunsch ihr Liebesleben wieder zu aktivieren. Auf der Suche nach einem neuen Partner öffnet sie spontan ihr Herz für den gleichaltrigen Taxifahrer Faramarz. Aus der zufälligen Begegnung wird eine ebenso überraschende wie unvergessliche Nacht.

„Ein kleines Stück vom Kuchen“ ist bereits die dritte gemeinsame Arbeit des erfolgreichen iranischen Regie-Duos Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha. Der Film, der seine umjubelte Welturaufführung auf der Berlinale 2024 im Wettbewerb feierte, erzählt mit zartem Humor eine ebenso spielerische wie gefühlvolle Geschichte von Hoffnung und Liebe. Dabei zeichnet die Tragikomödie ein authentisches Bild des alltäglichen Lebens von Frauen im Iran und deren Möglichkeiten einer subtilen Emanzipation gegen die patriarchalen Autoritäten. Was als romantische Begegnung zweier einsamer Fremder beginnt, entwickelt sich so zu einer berührenden Ode an das Leben, die Frauen und die Freiheit.

All Eure Gesichter

Di 17.9. (18 und 20 Uhr) / Do 19.9. (17:30) / So 22.9. (13:00)

All Eure Gesichter

Frankreich 2023; Regie: Jeanne Herry; Darsteller*innen: Birane Ba, Leila Bekhti, Dali Benssalah; FSK: ab 12; Prädikat: besonders wertvoll; 118 Minuten

Gregoire, Nawelle und Sabine haben eines gemeinsam: Alle drei wurden Opfer von Gewalttaten. Und auch Nassim, Issa und Thomas teilen eine Gemeinsamkeit: Alle drei sind Täter, haben Menschen überfallen, angegriffen. Nun sitzen alle zusammen in einem Raum. Und sie sollen sprechen. Über sich. Und sie sollen den anderen zuhören. Für die Betreuenden, die diese Gespräche im Rahmen Justice Restaurative, einer Form der Konflikttransformation im Rahmen des Strafvollzugs, vorbereitet haben, ist jedes Gespräch eine neue Herausforderung. Denn wie können Opfer und Täter jemals einander begegnen?

Keiner der Akteure hat anfangs große Lust auf das Zusammentreffen. Die Opfer fürchten die Täter, die Täter die Reaktion der Opfer und dennoch wissen alle insgeheim, dass sie nur profitieren können. Regisseurin Herry hat für ihren Film die Dramaturgie eines Wettkampffilms, eines Fightmovies, gewählt. Vor den Sitzungen begleitet die Kamera gezielt eine Seite, zeigt, wie die Akteure ‚fit‘ gemacht werden für die Begegnung in der Runde. Es kostet alle Teilnehmer Überwindung, Fragen zu stellen, aber auch zu beantworten. Nicht nur die Opfer berichten von ihrer Angst auf die Straße zu gehen. Auch die Inhaftierten legen nach und nach offen, wie es um sie steht, warum sie ihre Taten begangen haben und auch, dass sie befürchten, wieder straffällig zu werden.

Mit größtmöglicher Sensibilität und Nähe, manchmal beinahe zärtlich, manchmal beunruhigend eng, begleitet die Kamera die Akteure All Eure Gesichter droht niemals langweilig zu werden, denn was der Film nach und nach offenlegt, nimmt sein Publikum als echte Erfahrung mit nach Hause.

Dream Scenario

Di 10.9. (18 und 20 Uhr) / Do 12.9. (17:30) / So 15.9. (13:00)

Dream Scenario

USA 2024; Regie: Kristoffer Borgli; Darsteller*innen: Nicolas Cage, Julianne Nicholson, Michael Cera, Tim Meadows, Dylan Gelula, Dylan Baker; FSK: ab 12; 102 Minuten

Der vom Pech verfolgte Familienvater Paul Matthews muss feststellen, dass sein Leben plötzlich Kopf steht, als Millionen Fremde anfangen, von ihm zu träumen. Da sein nächtliches Erscheinen jedoch zunehmend alptraumhafte Formen annimmt, ist der über Nacht zum Star gewordene Paul gezwungen, sich mit den Konsequenzen seines unverhofften Ruhms auseinander zusetzen.

In seinem englischsprachigen Debüt zeigt der in Oslo geborene Autor und Regisseur Kristoffer Borgli den schnellen Aufstieg und Fall eines Mannes in einer sarkastischen und spielerisch verdrehten Betrachtung des kollektiven Bewusstseins im heutigen Medienzeitalter, in dem so gut wie jeder plötzlich zu einer seltsamen Berühmtheit werden und ebenso schnell wieder in Vergessenheit oder auch in Verruf geraten kann.