Landrauschen

Mittwoch, 30. Januar, 18.00 und 20.30 Uhr

Deutschland 2018; Regie: Lisa Miller; Darsteller*innen: Kathi Wolf, Nadine Sauter, Heidi Walcher, Volkram Zschiesche; FSK: ab 12; Prädikat: besonders wertvoll; 101 Minuten

Mit zwei Hochschulabschlüssen, doch ohne Job und ohne Geld, kehrt Toni aus Berlin zurück in die schwäbische Provinz nach Bubenhausen (den Ort gibt es tatsächlich). Im nahegelegenen Ulm hofft Toni auf eine Stelle als Journalistin. Der schmierige Chefredakteur bietet ihr gönnerhaft jedoch lediglich ein Praktikum im Lokalteil an. Der erste Auftrag: Ein ganzseitiger Lobgesang auf das Treiben am Faschingsdienstag im Dorf. Die kritischen Töne der Reporterin kommen in der Zentrale gar nicht gut an. Prompt bekommt jener überaus ehrgeizige Kollege den Auftrag, aus dem Text vom Vorjahr einen frenetisch feiernden Bericht zusammen zu schustern. Für Frust hat Toni indes gar keine Zeit: Mit der wilden Rosa findet sie eine Freundin, die ganz neuen Schwung in ihr lahmes Leben bringt. Je intensiver die Beziehung sich entwickelt, desto happiger geraten freilich so manche Probleme. Für die Tratsch-Tanten im Dorf sind Lesben allemal ein gefundenes Fressen beim gemeinsamen Eierlikör-Besäufnis.

Regisseurin und Drehbuchautorin Lisa Miller kennt sich bestens aus mit dem Leben im Dorf, ist sie doch selbst in Bubenhausen aufgewachsen. Damit nicht genug: Die Darsteller sowie das Team stammen gleichfalls aus dem kleinen Kaff. Das ganze Dorf ist hier mit dabei – mehr Authentizität und dokumentarischer Realismus geht also kaum. Beim Max Ophüls-Festival von Saarbrücken hat das wilde Werk rigoros abgeräumt – und mehr Preisgelder kassiert, als für die gesamte Produktion ausgegeben wurden!

Feinde – Hostiles

Mittwoch, 23. Januar, 18.00 und 20.30 Uhr

USA 2017; Regie: Scott Cooper; Darsteller*innen: Christian Bale, Rosamunde Pike, Wes Studi, Ben Foster; FSK: ab 16; 134 Minuten

Das Jahr 1892: Bei diesem Auftrag hat selbst der allseits geachtete, jedoch gefährlich abgestumpfte Armee-Offizier Joseph J. Blocker an Befehlsverweigerung gedacht. Ausgerechnet er soll den seit Jahren inhaftierten und sterbenden Stammesführer der Cheyenne, Häuptling Yellow Hawk, als letztes Geleit in dessen ehemalige Heimat Montana bringen. Hat die Militärobrigkeit etwa schon wieder vergessen, wie viele Männer von Blocker der vermeintliche Wilde auf dem Gewissen hat?

Widerwillig und misstrauisch macht er sich gemeinsam mit einer Handvoll an Soldaten und Yellow Hawks Familie auf, seinen Auftrag zu erfüllen. Auf der gefährlichen Reise durch das unbarmherzige Terrain trifft die Truppe auf die völlig verstörte Rosalie Quaid. Die Familie der Siedlerin wurde auf bestialische Weise von Komantschen massakriert, nur sie überlebte schwer traumatisiert. Schnell wird dem ungleichen Haufen klar: Nur wenn sie alle an einem Strang ziehen, wird aus der Reise durch die Prärie kein Himmelfahrtskommando – zumindest nicht für alle von ihnen.

Wer der Meinung ist, dass einen schönen Mann nichts entstellen kann, der sieht sich durch Bales Walross-Bart in Feinde eindrucksvoll eines Besseren belehrt. Und auch wenn sich seine Figur immer wieder über die fettigen Haare streicht, Zeit für Eitelkeiten gibt es im Film nicht. Wohl aber für herausragendes Mienenspiel des Schauspielers, dem man die innere Zerrissenheit stets abkauft.

Werk ohne Autor

Mittwoch, 16. Januar, 18.00 und 20.30 Uhr

Deutschland 2018; Regie: Florian Henckel von Donnersmarck; Darsteller*innen: Tom Schilling, Sebastian Koch, Paula Beer; FSK: 12; Prädikat: besonders wertvoll; 188 Minuten

Zu Zeiten der deutschen Teilung gelingt dem jungen Künstler Kurt Barnert die Flucht aus der DDR in die Bundesrepublik. Doch ein friedliches Leben will sich für ihn nicht einstellen – zu sehr plagen ihn seine Kindheits- und Jugendtraumata, die er während der Herrschaft der Nazis und der SED-Zeit erlitten hat. Doch dann lernt er die Studentin Elizabeth kennen, die er bald heiratet. Plötzlich gelingen ihm Bilder, mit denen er nicht nur seine eigenen Erlebnisse verarbeitet, sondern auch die einer ganzen Generation. Doch Kurts Glück wird durch das schwierige Verhältnis zu seinem undurchsichtigen Schwiegervater Professor Seeband überschattet. Denn dieser trägt einige Schuld an den schwerwiegenden Ereignissen in Kurts Leben…

Der neue Film von Florian Henckel von Donnersmarck liefert von der ersten Minute an große und dramatische Bilder. Ganz leise aber beginnt die Geschichte des kunstbegabten Kurt Barnert, der als kleiner Junge mit dem schweren Trauma der NS-Zeit konfrontiert wird und genau daraus in seinem späteren Schaffen inspirierende Kraft schöpfen kann. Das mitreißende Künstlerepos und spannungsgeladene Drama nimmt den Zuschauer dank seiner klugen Geschichte, seiner reflektierenden Dialoge und der gefühlvollen Musik mit auf eine spannende Reise in ein Künstlerleben und erzählt auch von den schrecklichen Verbrechen des NS-Regimes, die noch heute einen Schatten auf die deutsche Geschichte werfen. Werk ohne Autor ist nicht nur ein Film über einen Künstler. Es ist ein Film über die Kunst. Über ihre Kraft, ihre Macht, ihren Zauber und ihre Poesie.

303

Mittwoch, 9. Januar, 18.00 und 20.30 Uhr

Deutschland 2018; Regie: Hans Weingartner; Darsteller: Mala Emde, Anton Spieker, Thomas Schmuckert, Steven Lange, Martin Neuhaus; FSK: ab 12; 145 Minuten

Jan ist davon überzeugt, dass der Mensch von Natur aus egoistisch ist. Deswegen ist er auch nicht weiter überrascht, als ihn in Berlin seine Mitfahrgelegenheit versetzt. Jule hingegen glaubt, dass der Mensch im Kern empathisch und kooperativ ist, und bietet Jan einen Platz in ihrem 303 Oldtimer-Wohnmobil an. Beide sind unterwegs Richtung Atlantik. Jan will nach Spanien, um seinen leiblichen Vater kennenzulernen, Jule zu ihrem Freund nach Portugal. Eigentlich soll es gemeinsam nur bis Köln gehen, doch mit jedem Kilometer eröffnet sich etwas mehr von der Welt des Anderen. Macht der Kapitalismus den Menschen zum Neandertaler? Führt Monogamie ins Unglück und kann man sich aussuchen, in wen man sich verliebt? Die beiden durchqueren Frankreich und erreichen Spanien, ihre fesselnden Gespräche werden immer persönlicher. Und es fällt ihnen immer schwerer, sich nicht ineinander zu verlieben …

Lebenshungrig und romantisch, zwischen Fernweh und dem Wunsch, irgendwo anzukommen, gelingt Regisseur Hans Weingartner mit 303 ein sehnsüchtiges Roadmovie mit magischer Anziehungskraft. Die wunderschönen Landschaftsaufnahmen werden getragen von einem atmosphärischen Indie-Soundtrack.

Champagner & Macarons

Mittwoch, 2. Januar, 18.00 und 20.30 Uhr

Frankreich 2017; Regie: Agnès Jaoui; Darsteller*innen: Agnès Jaoui, Sarah Suco, Kevin Azais, Léa Drucker; FSK: ab 12; Prädikat: besonders wertvoll; 98 Minuten

Als die Filmproduzentin Nathalie in ihrer neu erworbenen Villa auf dem Land eine Einweihungsparty feiert, hat sie kurz Sorge, dass das gesellschaftliche Ereignis auch ganz schnell absolut öde werden könnte. Doch weit gefehlt: Nathalies Schwester und deren Ex-Mann leben ihren persönlichen Kleinkrieg bei Häppchen und sanfter Jazz-Musik in aller Öffentlichkeit aus. Und die anderen Gäste, egal ob Partylöwe, Möchtegern-Star oder Landadel leiden an ganz eigenen Be- und Empfindlichkeiten – bei einem Glas Champagner werden die Fassaden brüchig und die Neurosen sichtbar.

Die High Society der Medien- und Kulturszene bekommt in dem neuen Film von Agnès Jaoui auf ironische Weise ihr Fett ab. Mit spitzen Dialogen offenbart der Film die ganze Oberflächlichkeit eines solchen gesellschaftlichen Ereignisses und demaskiert die Fassade der Gelassenheit, hinter der sich private Befindlichkeiten verbergen. Im gut zusammengestellten Ensemble zeigt sich die große Spielfreude. Die stimmungsvolle Musik und das herrliche Setting liefern eine beschwingt spätsommerliche Stimmung, die sich auf den Zuschauer überträgt. Dies alles zusammen macht Champagner & Macarons zu einem ungemein spritzig französischen Filmvergnügen. (FBW)

I, Tonya

Mittwoch, 26. Dezember, 18.00 und 20.30 Uhr

USA 2017; Regie: Craig Gillespie; Darsteller*innen: Margot Robbie, Sebastian Stan, Allison Janney, Bobby Cannavale, Caitlin Carver; FSK ab 12; 119 Minuten

Sie war die berühmteste Person der Welt – nach Bill Clinton. Und eine der besten Eiskunstläuferinnen. Als erste Amerikanerin sprang Tonya Harding innerhalb eines Wettbewerbs gleich zwei sogenannte Dreifach-Axel – einen der anspruchsvollsten Sprünge im Eiskunstlauf. Doch eine Rabenmutter, ein dummer Ehemann und ein unglaublicher Skandal brachten sie zu Fall. Ihr Name wird für alle Zeiten mit dem Attentat auf ihre Konkurrentin Nancy Kerrigan in Verbindung bleiben.

Diese Geschichte ist total verrückt und wahrlich unglaublich, und deshalb lässt sie sich nur als Satire erzählen. Craig Gillespie hat keine Dokumentation, sondern eine pechschwarze, furiose und urkomische Satire gedreht und erzählt so die wahre Geschichte der Eiskunstläuferin Tonya Harding. Herausragend im Film ist die schauspielerische Leistung von Margot Robbie als Tonya, und das nicht ihrer Eislaufkünste wegen. Sie spielt die Hauptfigur zwischen trotzig und hysterisch, vulgär und kämpferisch, und präsentiert uns einen dreidimensionalen, vielschichtigen Charakter, der uns seine Seite der Geschichte erzählt. Sehenswert!

Camino a la Paz

Mittwoch, 19. Dezember, 18.00 und 20.30 Uhr

Argentinien 2015; Regie & Drehbuch: Francisco Varone; Darsteller*innen: Rodrigo de la Serna, Ernesto Suarez, Elisa Carricajo, Maria Canale; 94 Minuten; Omu

Sebastián ist Mitte 30 und treibt weitestgehend ziellos durchs Leben. Er hat ohnehin nur zwei Leidenschaften im Leben: seine Rockband Vox Dei und seinen liebevoll hergerichteten Peugeot 505. Etwas zu kurz kommt da seine Freundin Jazmín, die sich sehnlichst ein Kind wünscht. Weil die beiden in großer Armut leben, geht Sebastián eines Tages auf ein ebenso außergewöhnliches wie lukratives Jobangebot ein: Mit seinem Peugeot fährt er den greisen Jalil von Buenos Aires ins bolivianische La Paz. Von dort aus will der streng gläubige Jalil irgendwie nach Mekka kommen. Das Problem ist die lange, mehrere Tage dauernde Fahrt, da sich Jalil und sein Chauffeur nicht besonders gut verstehen. Doch Sebastián braucht das Geld und nimmt deshalb alle Ärgernisse in Kauf.

Der Titel des Regie-Debüts von Francisco Varone ist doppeldeutig. „Camino a La Paz“ kann zum einen „Der Weg nach La Paz“ bedeuten, aber auch „Der Weg zum Frieden“. Der Film lebt vom Schwung und der Unvorhersehbarkeit, die die Beziehung der beiden Männer auszeichnet. Dem Regisseur gelingt ein kleiner und feiner Film über zwei komplexe Charaktere, die auf ihrem Trip allerlei überraschende Ereignisse erleben.